Waldzustandsbericht 2020 Deutschland

Wald im Trockenstress: Schäden weiten sich weiter aus

Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2020 zeigen: Die anhaltenden Dürrejahre fordern Tribut

Wie geht es dem deutschen Wald?

Seit den 1980er-Jahren wird diese Frage regelmäßig im Waldzustandsbericht (früher Waldschadensbericht) der Bundesregierung thematisiert. Die letzten drei Jahre 2018, 2019 und vor allem 2020 haben gezeigt, dass der Klimawandel endgültig und für alle sichtbar im deutschen Wald angekommen ist. Die anhaltende Dürre in den Vegetationszeiten hat verbreitet zum vorzeitigen Abfallen der Blätter geführt. Bei der Fichte begünstigte sie die weitere Massenvermehrung von Borkenkäfern. Der Kronenzustand hat sich 2020 gegenüber den Vorjahren bei allen Baumarten weiter verschlechtert. Verstärkt wurde ein Absterben von Bäumen beobachtet.

Dass diese Entwicklung nicht plötzlich kam, sondern sich schon seit Jahren abzeichnete, konnten die Auswertungen der Bodenzustandserhebung im Wald zeigen. „Die Perioden mit Trockenstress haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Das zeigen Modellierungen des Bodenwasserhaushalts an den Punkten der Bodenzustandserhebung“, sagt Dr. Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut für Waldökosyteme in Eberswalde, die sowohl die Bodenzustandserhebung im Wald als auch die jährliche Waldzustandserhebung koordiniert.

Zustand der Belaubung bzw. Benadelung extrem schlecht

Die Kronenverlichtung ist ein Maß für die Vitalität der Bäume. Sie beschreibt, wie dicht, groß und verfärbt die Blätter und Nadeln in der Baumkrone sind. Für die Bewertung des Waldzustandes ist die Belaubung bzw. Benadelung der Bäume ein wichtiger Indikator. Die Einschätzung der Kronenverlichtung erfolgt im Vergleich zu einem voll benadelten beziehungsweise voll belaubten gesunden Baum der jeweiligen Art in fünf-Prozent-Stufen. Diese werden zu Schadstufen von null bis vier zusammengefasst. Jedes Jahr im Juli/August begutachten Inventurteams der Bundesländer auf einem 16 x 16 km Stichprobennetz rund 10.000 Bäume. Anhand von Musterabbildungen schätzen sie dabei die sogenannte Kronenverlichtung, also das Maß der Abweichung von einem voll belaubten bzw. benadelten gesunden Baum, in 5-Prozent-Stufen ab. Die Daten werden am Thünen-Institut ausgewertet und ergeben ein bundesweit repräsentatives Bild für die wichtigsten Baumarten. 

Die Ergebnisse der Waldzustandserhebung 2020 finden sich jetzt in einer Broschüre des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL). Noch nie seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1984 war der Anteil der Bäume ohne Kronenverlichtung so gering wie 2020. Im Durchschnitt aller Baumarten betrug im Sommer 2020 der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen (Schadstufen 2 bis 4) 37 Prozent. Auf die Warnstufe entfielen wie im vergangenen Jahr 42 Prozent. Ohne Verlichtung waren nur noch 21 Prozent; 2019 waren es 22 Prozent. Die mittlere Kronenverlichtung ist von 25,1 Prozent auf 26,5 Prozent gestiegen.

Die mittlere Kronenverlichtung der Laubbäume nimmt bereits seit Jahren zu, vor allem bedingt durch den schlechten Zustand der Eichen. Seit 2015 verschlechtert sich aber auch der Zustand der Buche.  

Waldzustandsbericht 2020 Deutschland
Waldzustandsbericht 2020 Deutschland

Erläuterung der Grafik

Erläuterungen zur Grafik:
„Ohne Verlichtung“ = Schadstufe 0
„Warnstufe“ = Schadstufe 1
„Deutliche Verlichtung“ = Schadstufe 2-4

Definition Schadstufen

Es gibt insgesamt fünf Schadstufen:
Schadstufe 0: Nadel- / Blattverlust bis 10 %; ohne sichtbare Kronenverlichtung
Schadstufe 1: Nadel- bzw. Blattverlust von 11 – 25 %; Warnstufe (schwache Kronenverlichtung)
Schadstufe 2: 26 – 60 %; mittelstarke Kronenverlichtung
Schadstufe 3: 61 % und mehr; starke Kronenverlichtung
Schadstufe 4: 100 %, abgestorben

Fichte


Bei der Fichte ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen von 36 % auf 44 % gestiegen. Auf die Warnstufe entfielen 35 % (vgl. 2019: 36 %). Ohne Ver-lichtungen waren 21 % (vgl. 2019: 28 %). Die mittlere Kronenverlichtung ist von 24 % auf 29 % deutlich gestiegen. Im Vergleich zu den anderen Baumarten weist die Fichte die höchste Mortalitätsrate auf. Im Gegensatz zum Vorjahr zeigt die Fichte eine stärkere Fruchtbildung und erreicht damit ein ähnliches Ni-veau wie 2018.

Kiefer

Im Vergleich zum Vorjahr ist bei der Kiefer der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen konstant bei 26 % geblieben. Im Vergleich zu 2018 hat sich der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen jedoch um 11 % deutlich erhöht. Auf die Warnstufe entfielen 54 % (vgl. 2019: 56 %). Die Warnstufe fällt damit auf das Niveau von 2018 zurück. Ohne Verlichtungen waren 20 % (vgl. 2019: 18 %). Die mittlere Kronenver-lichtung ist von 22 % auf 23 % nur leicht gestiegen. Insgesamt bleibt die Schadentwicklung der Kiefer auf gleichem Niveau. Die Fruchtbildung der Kiefer ist im Vergleich zu 2019 niedriger ausgefallen.

Buche

Bei der Buche ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen von 47 % auf 55 % gestiegen. Dies betrifft vor allem die Altersgruppe der über 60-jährigen Buchen. Auf die Warnstufe entfielen 34 % (vgl. 2019: 37 %). Ohne Verlichtungen waren nur noch 11 % (vgl. 2019: 16 %). Die mittlere Kronenverlichtung ist von 29 % auf 31 % gestiegen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Buche in immer kürzeren Abständen und häufiger intensiv fruktifiziert. Bei der Buche war 2020 ein Jahr mit mittlerer bis hoher Fruktifikation.

Eiche

Bei der Eiche ist der Anteil der deutlichen Kronenverlichtungen von 50 % auf 38 % deutlich gesunken. Jedoch stieg der Anteil der Warnstufe auf ein Niveau von 42 % (vgl. 2019: 33 %) deutlich an. Ohne Verlichtungen waren 20 % (vgl. 2019: 17 %). Die mittlere Kronenverlichtung ist von 28 % auf 25 % gesunken. Die Eiche zeigt somit erste Anzeichen der Regene-ration, bleibt jedoch weiterhin auf einem hohen Schadniveau. Auch sie weist im Vergleich zu 2019 ein stärkeres Mastjahr auf.

Mortalität nimmt zu

Neben der Kronenverlichtung hat sich 2020 auch die Mortalitätsrate bei Laub- und bei Nadelbäumen noch einmal drastisch erhöht. Sie war mehr als doppelt so hoch wie in den Vorjahren. Rund 285.000 Hektar Wald müssen nach Schätzungen des BMEL wiederbewaldet werden. 

Fichten zeigen eine deutliche Reaktion auf Wassermangel im Boden. 2019 starben erstmals flächenhaft Bestände ab. Dieser Trend hat sich 2020 weiter fortgesetzt. Der Borkenkäfer hat die vorgeschädigten Fichtenbestände besonders stark befallen. Aber auch die Buche, die bisher weniger auffällig war, ist von Hitze- und Trockenstress gezeichnet. Zudem hat die Buche 2020 vermehrt Früchte gebildet, was zu weiteren Kronenverlichtungen geführt hat. Jahre mit verstärkter Fruchtbildung nehmen bei der Buche zu. Der Zustand der Eiche hat sich leicht verbessert, bleibt aber weiterhin besorgniserregend.

Die bundesweite Waldzustandserhebung wird seit 1984 jährlich von den Ländern basierend auf einem systematischen Netz von Stichproben vorgenommen. Das Bundesergebnis wird aus den von den Ländern bereitgestellten Rohdaten am Institut für Waldökosysteme des Thünen-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei (TI), berechnet.

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