Rückgang von wirbellosen Tieren bedroht Ökosystemleistungen

Rückgang von Wirbellosen wirkt sich negativ auf Schädlingsbekämpfung und Zersetzungsprozesse aus

Der Rückgang wirbelloser Tierarten beeinträchtigt die Funktionsweise von Ökosystemen, darunter zwei wichtige Ökosystemleistungen: Die natürliche Schädlingsbekämpfung und die Zersetzung organischer Stoffe. Das zeigt eine Studie unter Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) sowie der Universität Leipzig, die im Fachmagazin Current Biology veröffentlicht wurde. Die Studie beweist, dass der Verlust von Wirbellosen zu einem Rückgang wichtiger Ökosystemleistungen und zu einer Entkopplung von Ökosystemprozessen führt und daher sofortige Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen..

Wirbellose sind funktionellen Grundpfeiler vieler Ökosysteme

Regenwurm, pixabay.com/natfot

Wirbellose, zu denen Insekten, aber auch andere Gliederfüßer, Schnecken und Würmer gehören, machen ca. 75 % aller bisher beschriebenen Arten aus. Sie bilden die funktionellen Grundpfeiler vieler Ökosysteme, indem sie wichtige Ökosystemleistungen gewährleisten: Bestäubung, Zersetzungsprozesse, natürliche Schädlingseindämmung und vieles mehr. In den letzten Jahrzehnten wurde weltweit ein Rückgang der Wirbellosen verzeichnet, vorangetrieben durch menschlich verursachte Umweltveränderungen, insbesondere veränderte Landnutzung, die Vereinfachung von Landschaften und die Urbanisierung, die mit dem Verlust von Lebensräumen und einer verstärkten chemischen Belastung einhergeht. Doch bisher war es schwierig, die Auswirkungen dieses Rückganges messbar zu machen. „Die Manipulation oberirdischer Wirbelloser war für die Forschung aufgrund der großen funktionellen Vielfalt und Mobilität dieser Tierarten eine echte Herausforderung“, erklärt Nico Eisenhauer, Erstautor und Professor für Experimentelle Interaktionsökologie bei iDiv und an der Universität Leipzig.

Verringerung der Ökosystemleistungen

Das Forschungsteam fand heraus, dass mit dem Rückgang der Biomasse von Wirbellosen eine Verringerung der Ökosystemleistungen einherging. So spielen die komplexen Gemeinschaften von Wirbellosen eine wichtige Rolle bei der natürlichen Schädlingskontrolle. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten beobachten, dass ein Rückgang bei den Wirbellosen Hand in Hand mit einem erhöhten Blattlausbefall ging. Das deutet darauf hin, dass Schädlingsbefall eine verbreitete Folge des Rückgangs der Biodiversität auf höheren trophischen Ebenen sein könnte, was zu Kaskadeneffekten für Pflanzenerträge und andere Ökosystemleistungen führen kann.

Rückgang der Zersetzung von Biomasse

Der Verlust oberirdischer Wirbelloser führte zudem zu einer deutlich verringerten Zersetzung organischer Stoffe im Boden. „Ober- und unterirdische Prozesse sind durch die Wirbellosen, die Pflanzen und Laub fressen, miteinander verknüpft. Gehen diese Verbindungen verloren, dann verändert das den Nährstoffkreislauf und wie viel Kohlenstoff gebunden werden kann“, erklärt Ecotron-Koordinatorin Dr. Jes Hines von iDiv und der Universität Leipzig.

“In einem gesunden Ökosystem sind biotische und biogeochemische Faktoren miteinander verbunden. Unsere Studie zeigt, dass sich ein Rückgang der oberirdischen Wirbellosen negativ auf diese Verbindung auswirkt. Das kann eine Gefahr für die Nährstoffversorgung von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen und damit auch für die Artenvielfalt darstellen“, sagt Nico Eisenhauer. Trotz dieser alarmierenden Erkenntnisse könnten sich die Ökosysteme wieder erholen, wenn entsprechende Gesetzesänderungen in Kraft treten, die helfen, die Vielfalt der Wirbellosen zu schützen. So ist bereits bewiesen, dass entsprechende Gesetzgebungen zum Schutz von Gewässern zu einer Erholung der Bestände von Süßwasserinsekten geführt haben. Sofortige Schutzmaßnahmen könnten das Blatt wenden und vielfältige Gemeinschaften von Wirbellosen sowie wichtige Ökosystemfunktionen schützen.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft – 27.09.2023 – https://idw-online.de/de/news819550